Das Projekt

Seit vielen Jahren werden Anstrengungen unternommen, mehr Frauen für Berufe in den Bereichen Wirtschaftswissenschaften, Naturwissenschaften und Technik zu gewinnen, um Arbeitsangebotslücken in zahlreichen Berufszweigen zu schließen und den auf dem Arbeitsmarkt vorherrschenden Geschlechterungleichheiten entgegenzuwirken. Gründe für diese Ungleichheiten liegen in der nach wie vor starken horizontalen wie vertikalen Arbeitsmarktsegregation in diesen Berufsgruppen, welche ein Ergebnis vergeschlechtlichender Professionalisierungsprozesse ist. Forschungsergebnisse zeigen, dass Entwicklungen und Strukturen der Kontinuisierung und De-Institutionalisierung von Geschlecht beobachtbar sind. Dass diese Strukturen jedoch keineswegs starr sind, lässt sich an wechselnden Geschlechtermajoritäten in Berufen erkennen.

Das gesellschaftliche Interesse an Fragen danach, wie man die qualifizierten Abschlüsse in naturwissenschaftlich-technischen Berufen anheben oder in den Wirtschaftswissenschaften die horizontale und vertikale Arbeitsmarktsegregation reduzieren kann, ist groß. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei darauf, in welchem Ausmaß und warum Jungen und Mädchen bestimmte Fächer wählen und wie das zu ändern wäre. Dabei begründen zahlreiche internationale Studien die Fächer- und Berufswahl mit Unterschieden im Interesse, mit der geringen Attraktivität von wirtschaftswissenschaftlichem und naturwissenschaftlichem Unterricht, mit unterschiedlichen Selbstkonzepten von Jungen und Mädchen und einem männlich bzw. weiblich konnotierten Image der Fächer.

Der Schule gelingt es nach wie vor nicht, die bestehenden Geschlechterungleichheiten abzubauen. Geschlechtersensible Fachdidaktik ist angehalten, den genannten Aspekten zu begegnen. Impulse dafür kommen aus der Geschlechterforschung. Zum einen zeigen konstruktivistische und dekonstruktivistische Ansätze zu Gender auf, wie Forschung und Schule an der Zuspitzung von Differenzen, ihrer Dramatisierung und Herstellung beteiligt sind. In Untersuchungen werden daher nicht nur geschlechtsbezogene Unterschiede aufgezeigt, sondern wenn dies unreflektiert erfolgt, werden diese Unterschiede auch reifiziert. Forschung ist somit an der Herstellung und Perpetuierung geschlechtsbezogener Unterschiede selbst beteiligt. Auch in der Schule haben geschlechterorientierte Fördermaßnahmen eine gegenteilige Wirkung, da Differenzen häufig nur dramatisiert und somit betont werden. Einige Forschende richten ihren Fokus deshalb auf die Untersuchung der Konstruktionsprozesse von Geschlecht in Schule und Unterricht (zumeist im Sinne des Sozialkonstruktivismus nach Goffman oder nach Bourdieus Habitus-Konzept).

Eine ganzheitliche geschlechtergerechte Bildung ist jedoch weitaus umfassender. Sie erfordert einen Dreischritt, welcher neben der ‚Konstruktion‘ auch die ‚Rekonstruktion‘ sowie die ‚Dekonstruktion‘ beinhaltet. Eine geschlechtergerechte Schulbildung erfordert (für jede Fachdidaktik) unterschiedliche Herangehensweisen und geht somit sowohl mit einer Bewusstmachung der Geschlechterdifferenzen in und für Bildungsprozesse als auch deren bewusst vorgenommener Dekonstruktion einher. Diese Prozesse für die naturwissenschaftlich-technischen und wirtschaftswissenschaftlichen Fachdidaktiken zu untersuchen, steht noch aus.

Die Konferenz rückt daher die geschlechtergerechte Bildung in den Fächern Naturwissenschaften, Technik und Wirtschaftswissenschaft in den Mittelpunkt, um eine geschlechtergerechte Partizipation der am Arbeitsmarkt vorzufindenden Berufssegmente zu begünstigen. Sie ist eine vom Bundesforschungsministerium (BMBF) geförderte Kooperation der Pädagogischen Hochschulen in Schwäbisch Gmünd und Weingarten (Förderkennzeichen 01FP1419/01FP1421).

Ziel der Konferenz ist die (Weiter-)Entwicklung einer geschlechtergerechten Fachdidaktik sowie der Austausch der Teilnehmenden mit Wirtschaft und Politik.

Die Konferenz richtet sich an Wissenschaftler_innen der hier genannten Fachdidaktiken, in der pädagogischen Praxis Tätige, Bildungspolitiker_innen, Akteur_innen aus Wirtschaft und Arbeitsmarkt u.v.m. Mit dieser breiten Ausrichtung soll eine innovative (Forschungs-) Kooperation aufgebaut werden, in der Erfahrungsaustausch und Netzwerktätigkeit im wissenschaftlich-praktischen Dialog erfolgen.